HIPPOLYTHAUS ST. PÖLTEN, 12. JÄNNER 2023
Vortrag mit musikalischer Darbietung von Dr. Elisabeth Birnbaum
und Mag. Franz Reithner
Ijob – ein Weg durch das Leid
Elisabeth Birnbaum hat mit ihrem Vortrag sehr trefflich die Aktualität und Lebensnähe der Thematik des Ijob Buches aufgezeigt. Es lassen sich daraus wohl auch Anregungen entnehmen, was den Umgang mit Leid betrifft.
Franz Reithner hat die Gesangseinlagen von Elisabeth Birnbaum am Klavier begleitet. Sehr versiert und unterhaltsam stellten die beiden mit ihren musikalischen Beiträgen den Bezug zur Gegenwart her.
Wenn Unschuldige leiden, stellt das die Leidenden selbst und alle, die ihnen helfen wollen, auf eine harte Probe. Was bleibt, ist oftmals Verzweiflung und Zorn hier sowie Ratlosigkeit und Überforderung dort.
Das Ijob Buch befasst sich exemplarisch mit diesem Problem – und zeigt einen möglichen Weg durch das Leid. Die Frage nach dem Warum des Leides bleibt dabei unbeantwortet, die Freunde verharren in ihren untauglichen Erklärungsversuchen. Und doch kann Ijob am Ende seines klagenden, anklagenden und aufbegehrenden Weges befreit aufatmen und zu Gott sagen: „Vom Hörensagen nur hatte ich von dir vernommen; jetzt aber hat mein Auge dich geschaut“ (Ijob 42,5).
Als Fazit lässt sich sagen:
Das Ijob Buch zeigt Leidenden unterschiedliche Möglichkeiten, mit unerklärlichem Leid umzugehen. Im Ijob Buch wird nicht nur das geduldige Ertragen des Leides von Gott als passendes Verhalten bewertet, sondern auch die Klage, das Ringen und Suchen nach Gründen und sogar das zornige Aufbegehren gegen Gott (vgl. Ijob 42,7.8). Idealerweise mündet dieser Weg in einer vertieften Gottesbeziehung, die frei von allem angeeigneten Wissen und „Hörensagen“ Raum für echte Erfahrung gibt.
Eröffnet wird Ijob dieser Weg von seinen Freunden. Zwar endet die Diskussion über den Grund des Leides und über den Schuldigen daran ergebnislos und frustrationsreich. Und die Reden der Freunde werden von Gott zuletzt als „nicht recht von mir geredet“ (Ijob 42,7.8) abqualifiziert. Doch allein dadurch, dass die Freunde bei Ijob bleiben, ihn mit ihren – wenn auch unangemessenen – Erklärungen herausfordern, seinen Widerspruch aushalten und ihm zuletzt Raum geben, selbst seinen Weg zu finden, helfen sie ihm aus Apathie und Todessehnsucht. Das kann Menschen ermutigen, Leidende auf ihrem Weg zu begleiten, immer im Wissen um die eigene Unzulänglichkeit und um die Unerklärlichkeit vieler Leidsituationen.
Die Gottesreden schließlich führen Ijob weg von der Schuldfrage und weg von Erklärungsversuchen hin zur Erfahrung der Verbundenheit mit Gott und dem Kosmos. Sie ermöglichen ihm, sich auch im Leid und im Aufbegehren gegen Gott von Gott angenommen zu wissen. Das Ijob Buch bejaht damit jede Form der theologischen Auseinandersetzung mit dem Leid, zeigt aber auch, dass die Frage nach dem Leid nicht nur diskursiv zu lösen ist.
Dr. Elisabeth Birnbaum
Nachsatz
Eine mögliche Erkenntnis, die aufgrund der Schilderung des Verhaltens Ijobs zulässig ist:
Es ist sinnvoll, denjenigen, der einem das Leid zumutet – nämlich Gott – auf keinen Fall „aus der Verantwortung zu entlassen“ und ihm keinesfalls den Rücken zuzukehren, auch wenn man ihm Einiges vorzuwerfen hat. Die Auseinandersetzung mit Gott, mag sie auch sehr heftig sein, kann für die Vertiefung der Beziehung mit Gott förderlich sein und inneren Frieden nach sich ziehen.
Sodass – wie bei Ijob – das alleinige Wissen um die Existenz Gottes (Ijob 42,5: „Vom Hörensagen nur hatte ich von dir vernommen; jetzt aber hat mein Auge dich geschaut“) in eine vertiefte existentielle Erfahrung mit diesem Gott mündet.
Dr. Gertrud Moser