Fahrt nach St. Veit a. d. Gölsen und Stift Lilienfeld
Wir haben unsere Fahrt am Donnerstag, 2. Mai 2024 um 13.30 Uhr in St. Pölten, Mariazeller Straße/P+R Süd mit einem Kleinbus der Firma Kerschner begonnen.
Um 14.00 Uhr erwartete uns Mag. Willi Erber vor der Kirche in St. Veit an der Gölsen zur Kirchenführung:
„Die Pfarrkirche St. Veit ist eine wunderschöne gotische, geheimnisvolle und sehenswerte Kirche aus dem 15. Jahrhundert, die so manche Kostbarkeit enthält, die es zu entdecken gilt. Sie gibt auch immer wieder Geheimnisse preis – Geheimnisse, die den Horizont erweitern, etwa über die Entstehungsgeschichte der Kirche oder über Ereignisse aus vergangener Zeit“, sagte Willi Erber über die Pfarrkirche.
Willi Erber wies uns bereits am Platz vor der Kirche auf Besonderheiten am äußeren Kirchenbau hin. Im Inneren der Kirche sind über dem Haupteingang Christus und die 12 Apostel dargestellt. Vom Langschiff der Kirche zum Altarraum hin ist ein leichter Achsknick zu beobachten. Die Kirche ist dem heiligen Vitus geweiht, der 304 den Märtyrertod auf Sizilien gestorben ist, das Hochaltarbild zeigt sein Martyrium. Er wird in einen Kessel gesteckt, in dem sich eine glühend heiße Flüssigkeit befindet. Vitus ist daher Schutzpatron der Kesselschmiede, der Bierbrauer, aber merkwürdigerweise auch der Bettnässer. Warum? Im Laufe der Jahrhunderte wurde der Kessel immer kleiner dargestellt, sodass man dachte es sei ein Nachttopf:
„Heiliger Vit, weck mich zur Zit, nit zu früh und nit zu spot, damit` s ja nit ins Bett neigot!”
Im linken neugotischen Seitenaltar befindet sich eine wunderschöne Marienstatue. Wer sie genauer betrachtet, bemerkt eine erstaunliche Besonderheit. Willi Erber ließ sie uns selbst herausfinden. Worauf steht hier die Marienstatue? Es ist keine Schlange und auch nicht die Weltkugel.
1970 wurde bei einer Innenrenovierung die ursprüngliche Farbe der Pfeiler und der Rippen an der Decke entdeckt, ebenso drei Fresken. Bei der Fußbodenerneuerung im Jahr 1991 stieß man unter den Bodenplatten im heutigen Altarraum auf die über einen Meter dicken Grundmauern der Urkirche aus dem 12. Jahrhundert. Bei späteren Erneuerungen kamen eine zugemauerte, gotische Eingangstür aus der Gründungszeit der Kirche (15. Jahrhundert) an der Westseite sowie ein zugemauertes Fenster und eine gotische Eingangstür an der Nordseite der Kirche zum Vorschein. Als Grund dafür nannte Willi Erber die Angst vor den wiederkehrenden osmanischen Reitertruppen, die im 16. und 17. Jahrhundert auch durch das Gölsental geritten waren. Zusätzlich wurde damals (1685/86) ein Wehrturm gebaut.
Willi Erber vermied ganz absichtlich, alle Geheimnisse der Kirche offenzulegen:
„Vieles ist in unserer Kirche zu sehen, das uns ansprechen und berühren will. Vielleicht kann sich der/die eine oder andere noch einmal Zeit nehmen und unsere Kirche betrachten. Wer achtsam herumgeht und genau hinschaut, dem kann es passieren, dass er mitten im Alltag vom Himmel berührt wird“, schloss Mag. Willi Erber seine herzvolle und beeindruckende Kirchenführung.
Wir bedankten uns herzlich und fuhren weiter zu unserem nächsten Ziel, dem Zisterzienserstift Lilienfeld. Das größte mittelalterliche Kloster Österreichs ist spirituelles und kulturelles Zentrum der Region, es gilt als eines der schönsten Denkmäler mittelalterlicher Baukunst in Österreich und ist die größte erhaltene zisterziensische Klosteranlage in Mitteleuropa.
Dort begrüßte uns Abt Pius Maurer, unser neuer geistlicher Beirat, sehr herzlich und wir starteten im mittelalterlichen Kreuzgang zu einer beeindruckenden Führung durch das Stift. Abt Pius sprach über die baulichen wie auch die von der klösterlichen Gemeinschaft geprägten Gegebenheiten des Stiftes. 19 Pfarren seien inkorporiert und 19 Mitbrüder gehören zurzeit der Zisterziensergemeinschaft an. Sehr versiert erläuterte Abt Pius die Geschichte des Stiftes. Es wurde 1202 vom Babenbergerherzog Leopold VI. gegründet. Dieser ist im nördlichen Rand des Altarraums vor der Balustrade neben seiner Tochter Margarete von Babenberg bestattet. Außen an der Chorbalustrade weisen zwei Inschriften auf die beiden Gräber hin. Bei Grabungen in der Stiftskirche im Jahr 1974 wurde festgestellt, dass der aus Türnitzer Marmor bestehende Sarg, der Leopold VI. zugedacht war, ein Kenotaph ist. Unter dem leeren Sarg befindet sich die Grablege der Cimburgis von Masowien, der Mutter Kaiser Friedrichs III. Sie ist auf einer Wallfahrt nach Mariazell in Türnitz 1429 verstorben und wurde in der Stiftskirche Lilienfeld bestattet.
Abt Pius setzte seine Ausführungen über die im gotischen Stil grundgelegte und mit barocken Altären bestückte Kirche fort, die er, ob der vielen Freiräume und Gänge, als „Prozessionskirche“ bezeichnete. Das farbenreiche Hochaltarbild von Daniel Gran zeigt die von Engeln begleitete Himmelfahrt Marias. Der Bereich hinter dem Hauptaltar birgt weitere drei Altäre. Einer davon zeigt den heiligen Bernhard von Clairvaux, der als Ordensvater des Zisterzienserordens gilt.
Das neugotische Brunnenhaus wie auch der Kapitelsaal beeindruckten uns. Hier las uns Abt Pius aus der Regel des heiligen Benedikt vor, die auch den Zisterziensermönchen als grundlegende Ordensregel dient. Abt Pius zeigte uns die um 1730 geschaffene, beeindruckende Bibliothek. Er stellte uns auch den berühmten, kunstsinnigen Abt Johann Ladislaus Pyrker vor, der im Priesterseminar St. Pölten sein Studium absolviert hatte, was Mitglieder unseres Vereins, der ja Abkömmling jener Philosophisch-Theologischen Hochschule ist, aufhorchen ließ. Pyrker war seit 1812 Abt des Stiftes Lilienfeld, er brachte es u. a. sogar bis zum Patriarchen von Venedig (ab 1821).
Im Weiteren führte uns Abt Pius eine Kuriosität vor, die im Speziellen die musikinteressierten Gruppenmitglieder beeindruckte. Er setzte eine Art Drehorgel in Gang, den „Flötensekretär“, der ein Stück von Ludwig van Beethoven zum Besten gab. Abt Pius schloss die Führung mit einem Blick in das mittelalterliche Laienbrüderdormitorium und das aus dem 13. Jahrhundert stammende Cellarium. Beide Räumlichkeiten stehen heutzutage für Veranstaltungen zur Verfügung.
Im Klosterladen, dem auch eine Buchhandlung angeschlossen ist, beendeten wir die erlebnisreiche Besichtigung des Stiftes und brachen zum gemütlichen Teil der Exkursion, zum Heurigen der Familie Hollaus auf dem Grillenberg in Traisen, auf. Dort verwöhnten uns neben der wunderschönen Aussicht die Wirtsleute mit köstlichen kulinarischen Angeboten.
Mit einem herzlichen Dankeschön für die ansprechende vielseitige Führung verabschiedeten wir uns von Abt Pius, der leider nicht bei uns verweilen konnte, da bereits die Zeit zum Gebet in der Klostergemeinschaft angebrochen war.
Nach dem Essen brachte uns unser Chauffeur den steilen Weg vom Heurigen wieder gekonnt nach unten auf die Hauptstraße, sodass wir wohlbehalten um 21 Uhr wieder in St. Pölten ankamen.
Schön war´s, waren wir uns alle einig!