Lasst uns den „neuen“ Menschen machen

STIFT MELK, 7. Dezember 2023

Das Verschwinden der Person im Transhumanismus –
Der neue Mensch als Mischwesen

Prof. Dr. Michael Stickelbroeck, Priester und Dogmatik-Professor;
tätig an der Päpstl. Theol. Fakultät Lima und am Internationalen Theol. Institut Trumau

Ein für einen Theologen eher unübliches Thema, wie der Referent am Beginn seines Vortrages einräumte, brachte Prof. Dr. Michael Stickelbroeck am 7. Dezember einem interessierten Publikum im Stift Melk näher: Transhumanismus, eine neue Ideologie, die vom zukünftigen Menschen als Mischwesen aus biologischer Masse und technischem Artefakt träumt. Vergleiche zum Genderismus drängen sich auf: Auch „Gender Mainstreaming“ sieht die Biologie nicht als wesentlichen Bezugspunkt für den Menschen. Der Körper wird vielmehr als Wille, Wunsch und Vorstellung betrachtet, der nach Gutdünken umgestaltet werden kann. Die Voraussetzungen zur Transformierung des Menschen sind folgende Technologien:

  • Gentechnologie
  • Robotik
  • Künstliche Intelligenz
  • Nanotechnologie

Die Idee des Transhumanismus geht davon aus, dass der Mensch technisch perfektioniert werden müsse und könne („enhancement“), der Mensch sei ein Artefakt, der neue Mensch stehe im Übergang zwischen herkömmlichem, biologischem Menschen und digitaler Technik.

Stickelbroeck sieht diese Entwicklung im Wissenschaftsbegriff der Neuzeit verortet: Seit Francis Bacon (1561 – 1626) fragt die Naturwissenschaft nicht mehr: „Was ist das für ein Wesen?“, sondern: „Was kann ich daraus machen?“ Der Mensch im Transhumanismus löst sich zwischen Tierwelt und Technik auf.

Als Vordenker des Transhumanismus gilt der israelische Historiker und Philosoph Yuval Harari. Der Titel seines Bestsellers „homo deus“ verrät, worum es geht: Der Mensch soll zum „neuen Gott“ erhoben werden.

Der Referent verdeutlichte, dass Transhumanismus nicht mehr nur herkömmliche Hilfsmittel wie künstliche Hüften oder Herzschrittmacher vorsieht, sondern die Hervorbringung eines neuen Wesens zum Ziel hat.
Dies soll in vier Stufen vor sich gehen:

  1. Wir tragen ein Gerät mit uns.
  2. Der Apparat lässt sich nicht mehr deaktivieren.
  3. Technische Implantate
  4. Verschmelzen von Mensch und Maschine

Zukünftige Generationen sollen also „designt“ werden. Harari: „Wir können jetzt das verändern, was wir sind!“

Für Stickelbroeck ist Transhumanismus keine Wissenschaft, sondern Szientismus. Man benützt wissenschaftliches Vokabular, um quasireligiöse Ziele zu verfolgen. Selbst eine Art „Unsterblichkeit“ wird im Transhumanismus in Aussicht gestellt. Vor allem aber geht es dabei um Kontrolle: Der Mensch soll zum gefügigen Tier werden. Das leichte Aussortieren Unbequemer ist dabei logische Folge. Man denke nur an das „Social-Crediting-System“ Chinas oder an die „Great Reset“-Pläne des Davos-Forum-Gründers Klaus Schwab: „Sie werden nichts mehr besitzen und glücklich sein.“

„Posthuman“ ist ein geflügeltes Wort im Transhumanismus und beschreibt dessen Perspektive: Der bisherige Mensch wird als Auslaufmodell gesehen. Er ist unterwegs zum digitalen Dasein. Mensch-Maschine-Hybriden, sogenannte „Cyborgs“ sind Ziel dieser Entwicklung. Roboter mit Menschengehirn sind ebenso Teil dieser an Science-Fiction grenzenden Vorhaben wie Menschen mit Gehirnimplantaten, jeweils mit grenzenloser Intelligenz ausgestattet. Die Gefahr, dass Eingriffe ins Gehirn des Menschen vorgenommen werden, um Kontrolle auszuüben, liegt auf der Hand. Neurowissenschaften, die derzeit hoch im Kurs stehen, liefern die Voraussetzungen dafür.

Stickelbroeck verwies am Ende seines Vortrages auf Thomas von Aquin: Artefakte sind zweckhafte, technisch hergestellte Dinge, das heißt, Gebrauchsgegenstände. Lebewesen hingegen haben ihren Zweck in sich selbst. Technik ist um des Menschen willen da und nicht umgekehrt. Der Einsatz technischer Mittel, inklusive der künstlichen Intelligenz, gereicht den Menschen einerseits zur Erleichterung, andererseits dürfen die daraus erwachsenden Gefahren nicht übersehen werden. Die Gefahr, dass der Mensch in ein System integriert werde und als Person verschwinde, sei sehr groß, so der Theologe abschließend.

 Mag. Kurt Neumeyr

Nachsatz:
In der vorweihnachtlichen Zeit, in der die Menschen „zur Krippe unterwegs“ sind, wo sie von der menschgewordenen göttlichen Liebe in Jesus erwartet werden, der das perfekte Menschsein vorgelebt hat, hebt sich die Idee des Transhumanismus besonders deutlich ab, da sie eine von Menschen erdachte, vermeintliche Perfektion des Menschseins anstrebt.

Dr. Gertrud Moser